Für die Dopingfahnder war die Corona-Zwangspause keine gute Zeit. Fast drei Monate war das Kontrollsystem lahmgelegt. Womöglich eine gute Gelegenheit für Sportbetrüger, die eigenen Leistungsgrenzen ein wenig zu erweitern.
Drohen da etwa bei der am Samstag beginnenden Tour de France unliebsame Überraschungen in Form von fragwürdigen Höchstleistungen? Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel ist davon überzeugt. „Dass gedopt wurde in der Zeit, das ist doch klar. Sonst würde ja alles, was wir über Radsport seit Jahrzehnten gelernt haben, infrage gestellt werden müssen“, sagte der Nürnberger Pharmakologe der Deutschen Presse-Agentur.
Die Rad-Branche sieht dies freilich anders. „Die Fahrer, die ich kenne, haben sich in der Corona-Zeit mit anderen Dingen beschäftigt als zu betrügen“, sagt Rick Zabel, der es diesmal nicht ins Tour-Aufgebot geschafft hat. Und auch Ex-Meister Max Schachmann rechnet nicht mit neuen Betrügereien: „Ich kann nicht für das ganze Fahrerfeld meine Hand ins Feuer legen. Ich denke, dass die Teams und Fahrer dahinter sind, dass sie es mittlerweile verstanden haben.“
Wandel oder nicht? Diese Fragen stellen sich die Experten seit Jahren. Fakt ist, dass der letzte schwerwiegende Dopingfall bei der Tour bereits acht Jahre zurückliegt und die Kontrollen effektiver geworden sind. Die Zeiten, als das französische Nationalheiligtum fast täglich von neuen Skandalen erschüttert wurde, sind vorbei.
Auf der anderen Seite zeigte die Operation Aderlass aber auch, dass weiter nachgeholfen wird. Auch einige Radsportler waren unter den Dopingsündern vertreten. Dazu gibt es um das Team Ineos, das in den vergangenen acht Jahren sieben Mal den Tour-Sieger stellte, immer wieder Ungereimtheiten bis hin zu staatlichen Untersuchungen.
Es sei sauberer geworden, betont Teamchef Ralph Denk. „Die Sicherheit hat viel mehr Gewicht als zu Hochzeiten des Dopings, und ich glaube, dass die Rennfahrer ihre Gesundheit nicht mehr in dem Maß riskieren“, sagte Denk der „Süddeutschen Zeitung“. Sörgel glaubt eher, dass sich die Szene professionalisiert hat: „Die Leistungen sind angestiegen, die positiven Fälle bei den Spitzenfahrern im Radsport dagegen nicht. Da ist doch viel Wissenschaft entstanden, mit der man unbemerkt dopt.“ Der Experte rechnet damit, dass Blutdoping, Epo, Wachstumshormone und Asthmamittel weiter die „Klassiker“ seien.
Wo das Kontrollnetz enger geworden ist, wird aber auch nach anderen Methoden gesucht, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Der Einsatz von Ketonpräparaten ist umstritten, steht aber nicht auf der verbotenen Liste der Welt-Anti-Doping-Agentur. Bei Jumbo-Visma, dem Team um Topfavorit Primoz Roglic und Ex-Weltmeister Tony Martin, hat der Gebrauch der Präparate für Wirbel gesorgt. „Es ist ein Nahrungsergänzungsmittel. Es steht nicht auf der Verbotsliste. Jeder kann es erwerben. Wir haben da kein Monopol drauf“, sagte Tony Martin im dpa-Interview und versteht die Aufregung nicht. Er selbst habe es auch probiert, „aber es hat mir nicht wirklich etwas gebracht“.
Ketone werden gewöhnlich im Körper selbst produziert, wenn die Glukosevorräte aufgebraucht sind. Sie dienen quasi als Reserveenergie. In einer nicht unumstrittenen Studie der Universität Leuven sollen Wissenschaftler herausgefunden haben, dass Ketonpräparate den Ausdauersportlern bis zu 15 Prozent mehr Leistung bringen können. Die Bewegung für einen sauberen Radsport (MPCC), die strengere Richtlinien über das Wada-Reglement hinaus aufgestellt hat, verbietet den Gebrauch von Ketonen ihren Mitgliedern.
Jumbo-Visma ist aber nicht in der MPCC vertreten. Sörgel hält eine Entscheidung der Wada für längst überfällig. „Problematisch wird es, wenn Ketone chemisch verändert werden.“
Vieles bleibt unklar. Das Thema Doping könnte den Radsport während der Tour einholen. Ein aktiver Radprofi sei in der Operation Aderlass noch nicht enttarnt worden, sagte Oberstaatsanwalt Kai Gräber. Der Prozess beginn am 16. September, in der letzten Tour-Woche.
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August 27, 2020 at 04:03PM
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Die Tour und Doping - Corona-Pause als Chance für Betrüger? - Schwäbische
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